Archive for Juli, 2010

19. Juli 2010

Der Rehlachs ward geschossen…

Ausdrücklich bekräftigen wir hier in unserem Blog, dass die gesamte „Aktion Urbane Überraschungen“ in keinster Weise illegal sein sollte.

Weiterhin brachten wir in böser Vorahnung Hinweise für das städtische Aufräumkommando an den Installationen an, in der Hoffnung, dass sie „Recht“ vor „Gnade“ walten lassen.

Doch zum Anfang.

Voller Euphorie, im Strudel des abnehmenden Adrenalinrausches, eröffneten wir heute morgen unsere Ausstellung. Ohne Komplikationen konnten wir unseren Plan vollziehen. Was soll man sagen, der Plan hat funktioniert, aber der Plan war beschissen…

Noch kurz nach der Fertigstellung kamen die ersten positiven Reaktionen seitens ein paar jüngere Passanten. Überraschung. Und die ist gelungen. Ratlos, aber auch erfreut.

Fantastereien, wieder einmal, beim Kaffee am Küchentisch und der ersten Reflexionsrunde.

Danach, um kurz vor acht, waren wir zutiefst geschockt.

Die Stadtreinigung ist den Passanten zuvor gekommen. Alle Mülleimer erstrahlten wieder im urbanst-modernen Grau. Texte auf Rückenlehnen der Bänke wurden entfernt. Auf Sitzflächen (aus Gründen?!?!?) größtenteils an ihren Bestimmungsorten gelassen. Auch die meisten Fotos sind zum Glück noch da. Da diese aber an den (wir nennen es mal) Baumhalterungen angebracht sind, befürchten wir leider, dass ihr Schicksal nur noch auf das Eintreffen des Grünflächenamtes wartet.

Kunst ist Krieg?!?

Diese Stadt, was soll man nun von ihr halten?

Wir sind vielleicht ein bisschen sauer aufgrund des Unverständnisses. Doch viel viel mehr sind wir enttäuscht. Traurig vielmehr noch, zu tiefst traurig. Natürlich war dies ein erster Schritt, natürlich war dies ein Versuch, doch wollten wir die Menschen testen, die Bürger, jeden einzelnen Wolfsburger.

Doch scheinbar haben wir nur die Bürokratie herausgefordert. Wir machen den Männern und Frauen von der Stadtreinigung keinen persönlichen Vorwurf. Wohl aber machen wir ihnen als Zahnrad im großen Getriebe des Kulturmonopols einen Vorwurf. Natürlich werfen wir ihnen vor, nur stumpf im Takte der Maschinen, letztendlich als bloße Maschine, ihre Arbeit auszuführen.

Lebt im Takt der eigenen Herzen, Leute! Und gebt diesen Takt an die Stadt weiter, wie wir es erfolglos versuchten…

Wir sind keine etablierten Künstler. Wir sind keine bezahlten Künstler. Wir sind im Sinne der weitläufigen Meinung wahrscheinlich nicht mal annähernd Künstler. Aber wir sind Menschen. Und als diese sind wir Bürger dieser Stadt. Und als solche nahmen wir uns das Recht, den öffentlichen Raum, der für uns sein soll und auch durch uns bezahlt wurde, für 15 Stunden zu verändern. Wie leicht diese Veränderung zu entfernen war kann nur die Stadtreinigung bezeugen. Wie viel Zeit, Arbeit, Idee, Mut und Herzblut dahinter steckte ist aber für niemanden ersichtlich.

Wir haben es gut gemeint.

Wir haben es gewagt, Pionierarbeit zu leisten. Wir haben uns gewagt, uns selbst zu überwinden.

Doch jetzt erst bluten unsere Herzen, aus aller tiefsten Wunden!

Diese Stadt hat uns dennoch eine wichtige Lektion mit auf unseren Weg gegeben.

„Deutschlands Fußballer wollen Weltmeister werden. Machen wir Wolfsburg zum Kultur-Weltmeister!“ zitieren wir hier mal Frau Birgit Schneider-Bönninger, Geschäftsbereichsleiterin Kultur und Bildung, aus einem Artikel in den Wolfsburger Nachrichten vom 30 Juni 2010.

Jetzt wirft sich uns die Frage auf, was das für Kultur werden wird.

Kaufen „wir“ nun wieder teure Kunst und Künstler ein, um unserem Prestigewahn gerecht zu werden?

Werden nun noch mehr Kunstwerke „ausgestellt“, dessen einzige öffentliche Diskussion davon handeln wird, dass die meisten Wolfsburger diese „abscheulich“, „sinnlos“, „hässlich“ oder einiges mehr finden werden?

Ist das die differenzierte Auseinandersetzung, die man sich wünscht?

Kann Kultur nicht von unten kommen?

Müssen wir denn dem bundesweiten Klischee unter „normalen“ Menschen gerecht werden?

Nämlich dem, das man so radikal versucht auszumerzen, ähnlich unserer Vergangenheit vor 1945.

Leider scheinen wir doch diese graue Arbeiterstadt zu sein, in der es keine Künstlerszene gibt, keine jungen Menschen die sich kritisch mit ihrer Umgebung auseinandersetzen. Lang lebe das Proletariat, solange es dieses bleibt, die Schnauze hält, unkritisch bleibt.

Prestigebau an Prestigebau, Kunstdiktatur von oben!

Die Kunst gebündelt, um sie im Keim zu ersticken, Stadt Wolfsburg, ist das dein Vorhaben?

Wir bitten um öffentliche Stellungnahme!

Wir wollen euer Monopol ja nicht einmal zerstören, wir wollen nur in seinem Schatten existieren und das ein oder andere Mal eine Chance bekommen.

Vielleicht haben wir nicht den nötigen Status um Kunst und Kultur zu schaffen. Doch in unseren Augen ist nichts illegales passiert.

Aber das Verhalten der Stadt heute morgen, im Kontext der allgemeinen Kommunalpolitik, verstehen wir als Kriegserklärung!

Und diese nehmen wir an.

Kulturkrieger dieser Stadt, versammelt euch, wenn ihr Gehör wollt.

Kulturschaffende dieser Stadt, versammelt euch, wenn ihr ein Gesicht bekommen wollt.

19. Juli 2010

erstes Foto aus der Nacht

Ein Geschenk

Ein Geschenk

Hier noch ein Bild aus der Sommernacht, bunt statt grau…

19. Juli 2010

Feierliche Eröffnung…!

Guerilla-Kultur in Wolfsburg!

Die Ausstellung ist hiermit eröffnet…
Ausstellung?
Ja, in einer Sommernachtsaktion hat die Gruppe Rehlachs in der Nacht zu Montag die Wolfsburger Innenstadt in eine Ausstellungsfläche umfunktioniert.
Unter der Überschrift „Urbane Überraschungen“ wurden verschiedene Installationen angebracht, so zum Beispiel Mülleimer als Geschenke verpackt, Gedanken in Kreide gefasst, Fotos mit Nachtansichten der Innenstadt ausgehangen sowie Gedichte ausgelegt.
Ausgenommen den gemeinfreien Texten der Fremdautoren, deren Wirkungskreis meistens die Großstadtlyrik des frühen 20. Jahrhundert war, sowie solcher, dessen Namen man irgendwie kennt, aber noch nie etwas von ihm gelesen hat (z.B. Goethe), sind die anonym ausgestellten Texte innerhalb der Gruppe entstanden oder für diese aus den persönlichen Archiven gekramt.
Die eigenen Texte der Gruppe können hier nachgelesen werden.
Auch die Fotos sind innerhalb der Auseinandersetzung mit dem Thema „Stadt“ entstanden und wurden innerhalb einer Nacht geschossen und gedruckt. Sie sollen dem „normalen Besucher der Innenstadt“ eine neue, unbekannte Perspektive bieten.

Aber warum nun Guerillakultur?
Wir verstehen uns nicht als etablierte Künstler. Und sie dies auch nicht einmal annähernd.
Aber wir haben ein Hobby, das in Ansätzen mal so etwas wie „Kunst“ werden könnte. Vielleicht.
Ausserdem leben wir größtenteils alle in Wolfsburg. Und gerade hier sehen wir leider keine Möglichkeit für jüngere Menschen, mit solchen Themen in Kontakt zu kommen.
Wir wollten nicht Zeit und Mühe verschwenden, um verzweifelt nach Ausstellungsfläche zu suchen.
Deshalb nehmen wir uns das Recht heraus, einen sehr gut besuchten Ort für einen Tag für uns zu beanspruchen. Als Versuch und als ersten Schritt.
Dabei ist für uns vor allem eines entscheidend:
Wie reagieren die Menschen auf diesen Versuch?

Und wo ist nun diese Ausstellung?
Wir haben den Bereich vor der Wolfsburger City Galerie als Ausstellungsort gewählt, da dort viele Menschen vorbei kommen.
Die Ausstellung ist seit der Fertigstellung heute morgen eröffnet und wird in der Nacht zu Dienstag wieder entfernt werden.
Unsere oberste Prämisse war und ist es, nichts illegales zu tun. Das beginnt damit, dass wir nur Texte verstorbener Autoren verwenden, die also gemeinfrei sind, sowie Texte und Fotos bei denen das Urheberrecht sowieso bei den Gruppenmitgliedern liegt. Des weiteren haben wir alles so angebracht, dass die Objekte mit wenigen Handgriffen zu entfernen sind und keine bleibenden Schäden verursacht werden.
Unsere Absicht ist es nicht, jemanden durch unsere Aktionen zu verärgern, wir hoffen dennoch auf eine Auseinandersetzung mit unseren Ideen.

Und nun?
Wir sind sehr an Feedback interessiert. Vor allem Kritik ist ausschließlich erwünscht.
Wir freuen uns über jeden Kommentar hier in unserem Blog genauso wie über eine e-Mail.
(rehlachs@gmx.de; rehlachswolf@googlemail.de)
Wie gesagt ist dies der erste Schritt. Wer gerne ein Stück des noch kommenden Weges mit uns gehen möchte, ist herzlich willkommen. Egal, welchen Alters, für uns zählt das Interesse.
Wir sind alle Anfang bis Mitte 20 und leben in Wolfsburg. Und nun suchen wir Gleichgesinnte.

Danke für die Aufmerksamkeit, die wir uns genommen haben.
Ein Rehlachs