Ausdrücklich bekräftigen wir hier in unserem Blog, dass die gesamte „Aktion Urbane Überraschungen“ in keinster Weise illegal sein sollte.
Weiterhin brachten wir in böser Vorahnung Hinweise für das städtische Aufräumkommando an den Installationen an, in der Hoffnung, dass sie „Recht“ vor „Gnade“ walten lassen.
Doch zum Anfang.
Voller Euphorie, im Strudel des abnehmenden Adrenalinrausches, eröffneten wir heute morgen unsere Ausstellung. Ohne Komplikationen konnten wir unseren Plan vollziehen. Was soll man sagen, der Plan hat funktioniert, aber der Plan war beschissen…
Noch kurz nach der Fertigstellung kamen die ersten positiven Reaktionen seitens ein paar jüngere Passanten. Überraschung. Und die ist gelungen. Ratlos, aber auch erfreut.
Fantastereien, wieder einmal, beim Kaffee am Küchentisch und der ersten Reflexionsrunde.
Danach, um kurz vor acht, waren wir zutiefst geschockt.
Die Stadtreinigung ist den Passanten zuvor gekommen. Alle Mülleimer erstrahlten wieder im urbanst-modernen Grau. Texte auf Rückenlehnen der Bänke wurden entfernt. Auf Sitzflächen (aus Gründen?!?!?) größtenteils an ihren Bestimmungsorten gelassen. Auch die meisten Fotos sind zum Glück noch da. Da diese aber an den (wir nennen es mal) Baumhalterungen angebracht sind, befürchten wir leider, dass ihr Schicksal nur noch auf das Eintreffen des Grünflächenamtes wartet.
Kunst ist Krieg?!?
Diese Stadt, was soll man nun von ihr halten?
Wir sind vielleicht ein bisschen sauer aufgrund des Unverständnisses. Doch viel viel mehr sind wir enttäuscht. Traurig vielmehr noch, zu tiefst traurig. Natürlich war dies ein erster Schritt, natürlich war dies ein Versuch, doch wollten wir die Menschen testen, die Bürger, jeden einzelnen Wolfsburger.
Doch scheinbar haben wir nur die Bürokratie herausgefordert. Wir machen den Männern und Frauen von der Stadtreinigung keinen persönlichen Vorwurf. Wohl aber machen wir ihnen als Zahnrad im großen Getriebe des Kulturmonopols einen Vorwurf. Natürlich werfen wir ihnen vor, nur stumpf im Takte der Maschinen, letztendlich als bloße Maschine, ihre Arbeit auszuführen.
Lebt im Takt der eigenen Herzen, Leute! Und gebt diesen Takt an die Stadt weiter, wie wir es erfolglos versuchten…
Wir sind keine etablierten Künstler. Wir sind keine bezahlten Künstler. Wir sind im Sinne der weitläufigen Meinung wahrscheinlich nicht mal annähernd Künstler. Aber wir sind Menschen. Und als diese sind wir Bürger dieser Stadt. Und als solche nahmen wir uns das Recht, den öffentlichen Raum, der für uns sein soll und auch durch uns bezahlt wurde, für 15 Stunden zu verändern. Wie leicht diese Veränderung zu entfernen war kann nur die Stadtreinigung bezeugen. Wie viel Zeit, Arbeit, Idee, Mut und Herzblut dahinter steckte ist aber für niemanden ersichtlich.
Wir haben es gut gemeint.
Wir haben es gewagt, Pionierarbeit zu leisten. Wir haben uns gewagt, uns selbst zu überwinden.
Doch jetzt erst bluten unsere Herzen, aus aller tiefsten Wunden!
Diese Stadt hat uns dennoch eine wichtige Lektion mit auf unseren Weg gegeben.
„Deutschlands Fußballer wollen Weltmeister werden. Machen wir Wolfsburg zum Kultur-Weltmeister!“ zitieren wir hier mal Frau Birgit Schneider-Bönninger, Geschäftsbereichsleiterin Kultur und Bildung, aus einem Artikel in den Wolfsburger Nachrichten vom 30 Juni 2010.
Jetzt wirft sich uns die Frage auf, was das für Kultur werden wird.
Kaufen „wir“ nun wieder teure Kunst und Künstler ein, um unserem Prestigewahn gerecht zu werden?
Werden nun noch mehr Kunstwerke „ausgestellt“, dessen einzige öffentliche Diskussion davon handeln wird, dass die meisten Wolfsburger diese „abscheulich“, „sinnlos“, „hässlich“ oder einiges mehr finden werden?
Ist das die differenzierte Auseinandersetzung, die man sich wünscht?
Kann Kultur nicht von unten kommen?
Müssen wir denn dem bundesweiten Klischee unter „normalen“ Menschen gerecht werden?
Nämlich dem, das man so radikal versucht auszumerzen, ähnlich unserer Vergangenheit vor 1945.
Leider scheinen wir doch diese graue Arbeiterstadt zu sein, in der es keine Künstlerszene gibt, keine jungen Menschen die sich kritisch mit ihrer Umgebung auseinandersetzen. Lang lebe das Proletariat, solange es dieses bleibt, die Schnauze hält, unkritisch bleibt.
Prestigebau an Prestigebau, Kunstdiktatur von oben!
Die Kunst gebündelt, um sie im Keim zu ersticken, Stadt Wolfsburg, ist das dein Vorhaben?
Wir bitten um öffentliche Stellungnahme!
Wir wollen euer Monopol ja nicht einmal zerstören, wir wollen nur in seinem Schatten existieren und das ein oder andere Mal eine Chance bekommen.
Vielleicht haben wir nicht den nötigen Status um Kunst und Kultur zu schaffen. Doch in unseren Augen ist nichts illegales passiert.
Aber das Verhalten der Stadt heute morgen, im Kontext der allgemeinen Kommunalpolitik, verstehen wir als Kriegserklärung!
Und diese nehmen wir an.
Kulturkrieger dieser Stadt, versammelt euch, wenn ihr Gehör wollt.
Kulturschaffende dieser Stadt, versammelt euch, wenn ihr ein Gesicht bekommen wollt.